Elektroautos befördern keine Verkehrswende

 

Bericht von der Veranstaltung mit Wilfried Wolf am 2.12.2019

Eine spannende und gut besuchte Veranstaltung zum Thema Elektromobilität und Verkehrswende führte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gemeinsam mit dem Bündnis Verkehrswende Köln im DGB-Haus durch.

Den Einstiegsvortrag mit vielen Fakten und Argumenten hielt der Verkehrsexperte Dr. Winfried Wolf,  Chefredakteur von „Lunapark 21“ (Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie), Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac, Sprecher des Bündnisses „Bahn für Alle“; als  Bundestagsabgeordneter war er in zwei Amtsperioden verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion (heute Die LINKE).

Wolf erläuterte, dass die CO2-Bilanz eines Elektroautos im Vergleich zu einem Benziner oder Diesel maximal um ein Viertel günstiger ist – aber nur,  wenn der Strommix stimmt und das Auto lange genug fährt. Ein akkubetriebenes Auto emittiert vielleicht während der Fahrt kein Kohlenstoffdioxid, seine Produktion setzt jedoch viel mehr CO2 frei als die Herstellung eines Verbrenners. Diese Hypothek muss das Elektroauto im Lauf seines Lebens erst einmal abfahren.

Gleichzeitig wird die Abhängigkeit vom Öl ergänzt durch die Abhängigkeit von anderen endlichen Ressourcen wie Kupfer, Nickel, Lithium, Kobalt und allgemein seltene Erden.

Noch mehr Autos mit dem E-Auto?

Es geht der Autoindustrie auch keineswegs darum, die PKW-Flotte auf den Straßen auszutauschen in eine E-Flotte oder sie gar zu reduzieren. Zwar soll der Anteil an E-Autos steigen, aber die Gesamtzahl aller PKWs nach den Planungen der Autobranche ebenfalls, insbesondere auf dem chinesischen Markt.

Alle Untersuchungen in Ländern mit größerer E-Flotte zeigen, dass E-Autos zum großen Teil Zweit- und Drittwagen in der Stadt sind (z.B. Norwegen), auch bedingt durch technische Aspekte wie Reichweite, Gewicht, Ladedauer und Ladestrukturen. Sie sind vor allem Mobilitätsmittel für den gehobenen Mittelstand, die über Haus mit eine Garage/Carport mit Wallbox verfügen.

Damit sind sie ein neuer Beitrag zur Erhöhung der Pkw-Dichte, und zwar ausgerechnet in der Stadt.

Hinzu kommt: Auch wenn alle 950 Millionen Pkw auf der Erde Elektroautos wären, bliebe es bei einer Million Verkehrstoten im Jahr und bei einem Flächenverbrauch, der wesentlich größer ist als der des Verkehrs zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln.

Wo E-Autos Sinn machen

E-Mobilität macht laut Wolf  in bestimmten Bereichen Sinn: bei der Bahn (die Elektrifizierung ist längst nicht abgeschlossen) beim Schienenverkehr im ÖPNV, bei Omnisbussen („Trolley“bussen), bei Restverkehren mit kleinen PKWs, die nicht von anderen Verkehrsträgern erbracht werden können, u.a. bei CarSharing, Taxen, Shuttlebussen.

Auch das Arbeitsplatzargument zieht nicht. Wolf wies darauf hin, dass im Umweltbereich in den letzten drei Jahrzehnten zwei Millionen neue Jobs entstanden sind, allein in der Fahrradbranche 250.000 Vollzeitarbeitsplätzen. Weitere hunderttausende umweltfreundliche Jobs wurden entweder verhindert oder abgebaut, z.B. in der Solar- und Windkraftbranche. Auch die 200.000 weggesparten Jobs bei Eisenbahn und ÖPNV in den letzten drei Jahrzehnten fehlen schmerzlich und müssen wieder aufgebaut werden. Gleiches gilt für die Bahntechnik (Produktion von Loks, Triebwagen,  Waggons, der Elektrik und Elektronik, der Signalisierung, dem Streckenbau und der Instandhaltung der Schieneninfrastruktur usw.,), hier wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als 70.000 Arbeitsplätze abgebaut – auch die müssten wieder aufgebaut werden, wenn wir die Verkehrswende realisieren wollen.

Neue Arbeitsplätze durch Verkehrswende

Wolf  beschrieb die Aufgabe, neue Arbeitsplätze mit umweltverträglichen Produkten und Dienstleistungen einzufordern, Möglichkeiten zur Konversion der Autoindustrie zu diskutieren und für allgemeine Arbeitszeitverkürzungen zu kämpfen.

In der Diskussion wurden weitere Themen angesprochen wie der Kampf um den Nulltarif und Schritte dorthin, z.B. das Wiener Modell des 365 Euro Ticket.  Immer wieder wurde auch auf die Schweizer Bahn verwiesen, wo es günstige Tickets für alle Verkehrsbereiche und eine dichte Taktung im Verkehrsnetz gibt; das Land hat bezeichnenderweise keine Autolobby. Es kam der Vorschlag, die Bundesregierung sollte statt 6000 Euro bei Kauf eines E-Autos  lieber den Kauf von Bahncards 100 subventionieren.

Man war sich einig: Schon aus Gründen des Klimaschutzes brauchen wir eine radikale Wende in der Verkehrspolitik. Dabei ist nicht das E-Auto die Lösung, sondern entscheidend sind vor allem die Reduzierung des Individualverkehrs, der Ausbau des ÖPNV und der Fahrradwege.

Links: https://www.lunapark21.net/das-elektroauto-eine-sackgasse/