Der Kölner ÖPNV muss aufs Wasser gehen

Der Verkehr in und um Köln ist durch den Rhein geprägt

Köln als attraktiver Arbeits-, Wohn- und Freizeitort, ist mit über 1 Million Einwohnern das größte Verkehrs-Nadelöhr im Westen Deutschlands. In Ost-West-Richtung trennt der Rhein den Verkehrs­fluss und selbst acht Brücken im Großraum Köln scheinen nicht zu reichen.

Die täglichen Berufs-Pendlerströme lassen den Verkehr kollabieren, denn es ist es eng auf der Schiene und Straße: 316.000 Menschen pendeln in die Stadt. 144.000 Menschen verlassen sie und 400.000 pendeln innerhalb der Stadt (Studie des IHK Köln zur Pendlermobilität 2018).

Am günstigsten sind die Brückenverbindungen für die schmutzigste Verkehrsart, den MIV (Motorisierter Individual Verkehr ̶ PKW, Lieferwagen, LKW). Für die PKW fahrenden Berufspendler, die entlang der Nord-Süd Rheinschiene wohnen, ist das Verkehrsnetz wesentlich engmaschiger und bequemer. Für sie stehen sechs Brücken zur Verfügung, drei uneingeschränkt und drei, die sie sich mit dem ÖPNV teilen müssen. Das sind die Autobahnbrücke Rodenkirchen, die Severinsbrücke, die Deutzer Brücke, die Zoobrücke, die Mülheimer Brücke und die Autobahnbrücke Leverkusen.

Für den Schienenverkehr sieht es bedeutend schlechter aus. Güterzüge rollen auf nur zwei Gleisen über die Südbrücke und müssen sich zeitweise die Schiene mit Fernverkehrszügen teilen. Die Masse der Nah- und Fernverkehrszüge stauen sich auf sechs Gleisen der Hohenzollernbrücke, vor der Einfahrt in den überlasteten Hauptbahnhof.

Das Kölner ÖPNV-Netz ist klar benachteiligt

Genauso schlecht sieht es für den ÖPNV aus. Er muss sich den Platz auf drei Rheinbrücken mit dem MIV teilen. Jeweils zwei Gleise stehen ihm auf der Severinsbrücke, der Deutzer Brücke und der Mülheimer Brücke zur Verfügung. Wegen des parallelen MIV ist aber eine Erweiterung des Gleiskörpers unmöglich.

Dabei wird die Hauptlast im Zentrum von der Deutzer Brücke mit drei Niederflur- und von der südlich gelegenen Severinsbrücke mit zwei Hochflur-Stadtbahnlinien getragen. Beide Brücken liegen nur 700 Meter weit auseinander.

Eine notwendige Taktverdichtung in Ost-West-Richtung über die Deutzer Brücke ist unmöglich, denn die Stadtbahnlinien 1, 7 und 9 haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Dies ist der Hauptgrund für die heftige Debatte über den ÖPNV-Ausbau auf der Ost-West-Achse, zwischen Deutzer Freiheit und Universitätsstraße. Die Verwaltung und die Parteien CDU FDP SPD favorisieren auf diesem Streckenabschnitt einen neuen, extrem teuren Tunnel. Nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2040, wird das Projekt die Milliarden Euro-Grenze überschritten haben.

Bei der Planung des zukünftigen Kölner ÖPNV-Netzes muss aber der Rhein als Verkehrsbarriere überwunden werden. Deshalb sind weitere Flussquerungen für den Ausbau der ökologischen Verkehrsarten Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV dringend nötigt. Neue Brücken sind dabei jedoch die teurere und langfristigere Lösung.

Lösung durch eine ÖPNV-Linie auf dem Rhein

Zur schnellen Realisierung sollte der Rhein selbst als Verkehrsweg genutzt werden. Wie 2011 in der Nachbarstadt Bonn, wo der BDA (Bund Deutscher Architekten) einen Wasserbus im Rahmen eines Konzeptbeitrags zum „Masterplan Innere Stadt Bonn“ vorschlug. Bonn plant noch, in Hamburg und Rotterdam ist der innerstädtische Personenverkehr auf dem Wasser bereits Realität.

Sind die Wege zur Anlegestelle auf dem Rhein nicht zu lang?

Über weite Strecken wird der Rhein von flachen und wenig bewohnten Uferbereichen gesäumt, wie dem Weißer Rheinbogen, der „Rodenkirchener Riviera“ und der Poller Wiese. Diese Uferbereiche sind in den Sommermonaten stark bevölkert. Doch für die An- und Abreise scheint das Fahrrad, die eigenen Füße, aber auch der PKW zu reichen.

Seit den 1990er Jahren rückt die Stadt an den Strom. Es begann mit dem Rheinauhafen-Viertel und setzt sich mit den zukünftigen Stadtvierteln im Deutzer- und Mülheimer-Hafen fort. Dort entstehen verdichtete Quartiere mit Wohnungen, Arbeits- und Konsumstätten. Die ÖPNV-Anbindung des Rheinauhafen-Viertels ist marginal, in den geplanten Stadtvierteln scheint kaum Verbesserung erkennbar. Alle neuen Quartiere liegen direkt am Rheinufer.

Für ein Akzeptanz eines neuen Verkehrsmittels auf dem Rhein stellt sich die entscheidende Frage: Wie weit ist es vom Schiffsanleger zum Wohn- oder Arbeitsort? Und für Umsteiger: Wie weit ist der Weg vom Schiff zur vorhandenen ÖPNV-Haltestelle?

Die im Nahverkehrsplan Rheinland festgelegten Richtwerte für Wege vom Wohn- oder Arbeitsort zur nächsten ÖPNV Haltestelle sind nicht kundenfreundlich, denn folgende Luftlinien-Entfernungen zwischen Wohnort und ÖPNV-Haltestelle werden ihnen zugemutet [1]:

Buslinien:                   Kernstadt 300 m, Außenbereich 400 m

Stadtbahnlinien:         Kernstadt 400 m, Außenbereich 600 m

S-Bahn:                      Kernstadt und Außenbereich 800 m

Zum Außenbereich zählen z.B. Mülheim, Porz und Riehl. Da heißt es: Gut zu Fuß sein.

Mit einer ÖPNV-Verbindung auf dem Rhein sind Distanzen von 400 bis 600 Metern problemlos zu schaffen. Durch geschickte Wahl der Anleger können sie sogar deutlich kürzer sein.

Anforderung an eine ÖPNV-Linie auf dem Rhein

Eine attraktive ÖPNV-Linie auf dem Rhein sollte folgende Kriterien erfüllen:

  1. völlige tarifliche Einbindung in die VRS-Tarifstruktur
  2. Abstimmung mit den Ankunft- und Abfahrtzeiten der landseitigen ÖPNV Linien
  3. einen schnellen Fahrgastwechsel an den Haltepunkten
  4. Barrierefreiheit für Kinderwägen, Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer und alle Fahrradtypen
  5. ein Bistro an Bord für die Verpflegung während der Fahrt
  6. einen vom Wasserstand, der Tageszeit und der Witterung unabhängigen, ganzjährigen Betrieb
  7. eine Fahrzeit, die nicht länger als parallele verkehrender Bus- oder Stadtbahnlinien ist
  8. eine Mindestgeschwindigkeit von 30 km/h

Welches Wasserfahrzeug wäre für Köln am besten geeignet?

In Köln wurde im März 2018 verbal heftig um den Wasserbus [2] gerungen. CDU, SPD und GRÜNE wetteiferten um „die sofortige Umsetzung“, bisher geschah nichts. Ist dieser „Kölner Wasserbus“ ein ernsthafter Beitrag zur Verkehrswende?

Er ist kein herkömmlicher Bus mit breiten Doppeltüren für schnellen Fahrgastwechsel, denn diese Türen sind für die Flussfahrt nicht dicht. Selbst die wesentlich kleineren Türen des „Kölner Wasserbusses“ erfordern eine Dichtigkeits-Prozedur an Land. Erst dann kann der Bus über Rampen in den Rhein fahren. Als Touristenattraktion in Hamburg und Lübeck ist der Wasserbus interessant, jedoch in Köln für einen Linienverkehr weniger geeignet.

Nimmt man die „Anforderung an eine ÖPNV-Linie“ als Richtschnur, so ist der 2018 vorgestellte „Kölner Wasserbus“ durchgefallen, denn erfüllt gerade einmal die Kategorie 1 und 2.

Der „Rotterdamer Waterbus“, der von Bonn favorisiert wird, erfüllt dagegen alle Kriterien, denn er bleibt in seinem Flusswasser-Element.

Dieser Katamaran-Schiffstyp ruht stabil auf dem Wasser, ist 45 km/h schnell und hat durch den Doppelrumpf einen geringen Tiefgang. Deshalb kann dieser Schiffstyp auch bei niedrigen Wasserständen verkehren. Mit Radar kann er selbst bei Nacht und Nebel fahren. Für den Ein- und Ausstieg nutzen Katamarane herkömmliche Schiffsanleger-Brücken.

Spezielle Bauformen des Katamaran-Schiffstyps können Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h erreichen, wenn die Doppelrümpfe mit Tragflächen ausgestattet werden. Der auf Tragflügeln auf dem Fluss verkehrende Rheinpfeil [3], ist Älteren sicher noch bekannt. Dieser Schiffstyp der Köln-Düsseldorfer-Rheinschifffahrt AG verkehrte von 1972 bis 1997 im Tagestourismus auf dem Rhein.

Weil Tragflächenboote auf Kufen / Tragflächen über der Wasseroberfläche schweben, sinkt der Wasserwiderstand um die Hälfte. Dieser Schiffstyp ist schneller und energieeffizienter als herkömmliche Wasserfahrzeuge. Tragflächenboote können mit ihrer hohen Geschwindigkeit auch in verkehrsreichen Hafen- und engen Binnengewässern verkehren. Sie erzeugen kaum Wellen, die Uferbefestigungen und kleine Wasserfahrzeuge gefährden und haben einen kurzen Bremsweg, der nur geringfügig länger als der eines PKW ist.

Mit diesem Katamaran-Schiffstyp sind kurze Fahrzeiten möglich und die Strecke könnte bis über die Stadtgrenzen hinaus ausgeweitet werden.

Wie lang soll das Kölner ÖPNV-Netz auf dem Rhein sein?

Voraussetzungen für einen ausgelasteten Betrieb sind:

  • Anlandestellen an befestigten Uferbereichen, die eine kurze Verbindung zum Radwegenetz und zu bestehenden Bus- und Stadtbahnlinien bieten
  • Anlandestellen an räumlich dichten Zonen mit Verwaltungs- oder Produktionsstätten, Wohnquartieren oder Tourismusmagneten.

Für eine optimale Auslastung der Rheinlinie müssen mindestens die Vororte Porz im Süden und Mülheim im Norden über das Zentrum ganztägig verbunden werden. Weiter nach Norden sollte auch Niehl als Produktionsstandort angefahren werden, dort befinden sich die FORD Werke.

Eine Ausweitung der Linie bis zum rechtsrheinischen Leverkusener Stadtteil Wiesdorf muss geprüft werden, denn dort ist einer der größten Chemieparks Deutschlands angesiedelt.

Ebenso muss geprüft werden, ob die neuen Stadtviertel im Deutzer- und Mülheimer Hafen in die Rheinlinie integrierbar sind, denn das Ein- und Ausfahren und das Wenden im Hafenbecken ist zeitaufwendig.

Welche Anlegestellen sollen am Rhein entstehen?

Von Norden nach Süden, entgegen der Fließrichtung des Rheins:

  • Leverkusen Wiesdorf Stromkilometer 700,6

Örtlichkeit:                     größter rechtsrheinscher Chemiestandort
Größter Leverkusener Stadtteil

Verkehrsanbindung:       Direkt an den Uferradweg

Fußweg zum Wiesdorfer Zentrum 800 m

ÖPNV-Anbindung:        Rheinallee, zwei Buslinien, Weg 200 m

  • Niehl (Bremerhavener Straße) Stromkilometer 696,8

Örtlichkeit:                     größter linksrheinscher Industriestandort mit den FORD Werken

Verkehrsanbindung:       Direkt an den Uferradweg

Fußweg zur Ortsmitte 300 m

ÖPNV-Anbindung:        Niehl, Stadtbahnlinien 12 und eine Buslinie, Weg 300 m

  • Mülheim Stromkilometer 692

Örtlichkeit:                       größter nördlicher, rechtsrheinischer Stadtteil

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg ins Mülheimer Zentrum 600 m

ÖPNV-Anbindung:         Wiener Platz, Stadtbahnlinien 4, 13, 18 und fünf Buslinien, Weg 600 m

  • Zoo Stromkilometer 690

Örtlichkeit:                       Touristenmagnet Zoo. Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg zum Zoo 300 m

ÖPNV-Anbindung:         Zoo, Stadtbahnlinien 18 und eine Buslinie, Weg 300 m

  • Deutz, Hohenzollernbrücke Stromkilometer 688,5

Örtlichkeit:                       Arbeitsplätze in der Medien- und Versicherungsbranche und auf dem Messegelände. Messestandort und Rheinpromenade

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg ins Deutzer Zentrum 500 m

ÖPNV-Anbindung:         Köln-Messe Deutz, Stadtbahnlinien 1, 9 und drei Buslinien, Weg 500 m

SPNV-Anbindung:          Köln-Messe Deutz, alle S-Bahnlinien und RE Verbindungen, Weg 500 m

  • * Rheinauhafen, Schokoladenmuseum Stromkilometer 687,5

Örtlichkeit:                       zahlreiche Arbeitsplätze im Rheinauhafen, zwei Museen

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg ins Zentrum am Heumarkt 500 m

ÖPNV-Anbindung:         Schokoladenmuseum, eine Buslinie, Weg 200 m

  • Rheinauhafen, Ubierring Stromkilometer 686,5

Örtlichkeit:                       linksrheinische Innenstadt. Arbeitsplätze im Rheinauhafen und in der Südstadt. Universitätsstandort. Gastronomie und Freizeitörtlichkeiten

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg ins Zentrum der Südstadt 700 m

ÖPNV-Anbindung:         Ubierring, Stadtbahnlinie 15, 16 und eine Buslinie, Weg 250 m

  • Heinrich-Lübke-Ufer Stromkilometer 683,8

Örtlichkeit:                       Befestigtes Rheinufer

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

ÖPNV-Anbindung:         Heinrich-Lübke-Ufer, Stadtbahnlinie 16, 17 und zwei Buslinien, Weg max. 200 m

  • Porz-Mitte Stromkilometer 678,3

Örtlichkeit:                       Größter südlicher, rechtsrheinischer Stadtteil

Verkehrsanbindung:        Direkt an den Uferradweg

Fußweg ins Porzer Zentrum 400 m

ÖPNV-Anbindung:         Porz Markt, Stadtbahnlinie 7 und acht Buslinien, Weg 400 m

SPNV-Anbindung:          Köln-Porz, S-Bahnlinie 12 und RE 9, Weg 800 m

Die gesamte Strecke beträgt mit Querungen zwischen den Ufern ca. 25 km. Die Streckenführung auf dem Rhein ist im Anhang verdeutlicht.

* Die Anlegestelle Rheinauhafen, Schokoladenmuseum ist ein optionaler Halt, denn sie liegt nur einen Kilometer von der Anlegestelle Rheinauhafen, Ubierring entfernt. Für die Talfahrt Richtung Deutz ist je nach Dichte des Schiffsverkehrs ein zweimaliger Wechsel der Uferseite erforderlich, denn auf dem Rhein herrscht Rechtsfahrgebot. Dies wird die Fahrzeit erheblich verlängern. Bei Überschreiten der Fahrzeit von parallelen Stadtbahnverbindungen sollte dieser Halt entfallen.

Als ganztägige Verbindung sollte die Strecke von Porz bis Niehl befahren werden. Optional die längere Verbindung bis Leverkusen Wiesdorf.

Über die Fahrzeit kann erst nach Festlegung des Bootstyps und der Ausführung der Schiffsanleger-Brücken eine verbindliche Aussage getroffen werden. Für die überschaubare Strecke zwischen Porz und Deutz, Hohenzollernbrücke darf die Fahrzeit jedoch nicht länger als 20 Minuten dauern. Pro Richtung sollten alle 20 Minuten Schiffe verkehren.

Einbeziehen lokaler Forschungs- und Fabrikationsstätten in Planung und Bau

Architekturstudierende der TH Köln wirkten 2017 in Bonn an der Konzeptplanung der Anleger des dortigen Wasserbus-Projekts mit. Eine Zusammenarbeit für ein Projekt in Köln bietet sich an.

Für die technische Ausführung der Wasserfahrzeuge gibt es im Rhein-Sieg-Kreis die Lux-Werft in Niederkassel-Mondorf, deren Fähren und Touristikboote auf dem Rhein und auf Seen in ganz Deutschland unterwegs sind.

Umwelt schonende Antriebstechnik könnte der Kölner Motorenhersteller DEUTZ AG produzieren. Busse mit Wasserstoff-Motoren verkehren bereits im Rhein-Erft-Kreis. Schiffsantriebe mit Wasserstoff wären ein Meilenstein im Schiffsbau und Anreiz für die Güterschifffahrt auf dem Rhein, denn die herkömmlichen Dieselmotoren tragen zur NOX und Feinstaubbelastung Kölns bei.

Die Abstimmung des Schiffstyps und der Anlegestellen ist maßgebend über die Attraktivität der Rheinlinie. Bereits in der Phase der Machbarkeitsstudie müssen die zahlreichen Schiffsanlegern im Innenstadtbereich, sowie die im Stadtbereich verkehrenden Touristikreedereien einbezogen werden. Diese Unternehmen werden einerseits im zukünftigen, lokalen Touristenverkehr beeinträchtigt, sind andererseits die möglichen Träger der ÖPNV-Linie auf dem Rhein, denn sie verfügen über ausgebildetes Personal für die Befahrung des Stroms.

Quellennachweise

https://de.wikipedia.org/wiki/Tragfl%C3%BCgelboot