Die Unterlagen zur Nutzen-Kosten-Berechnung bei der Ost-West-Achse (OWA) sind nach wie vor unvollständig!

Offener Brief an Ratsmitglieder zur OWA

Dieser offene Brief wurde von uns heute (20.03.2025) an die Ratsmitglieder der demokratischen Parteien gesendet, die sich gegen einen Tunnel auf der OWA ausgesprochen haben.


Sehr geehrte Ratsmitglieder für OBEN BLEIBEN,

wie auch im Verkehrsausschuss am 18.03.2025 von einigen Mitgliedern festgestellt wurde, ist die Beschlussfähigkeit der Beschlussvorlage zur Ost-West-Achse für die Ratssitzung am 03.04.2025 nicht gegeben. Die vollständigen Unterlagen für die oberirdische Variante zur Berechnung des Nutzen-Kosten-Indikators wurden Ihnen nicht vorgelegt. Diese sind somit nicht auf Plausibilität prüfbar. Damit ist der politische Auftrag zum Variantenentscheid zur Ost-West-Achse aus 2018/2019 für die Ratsmitglieder als Entscheidungsträger/innen nicht transparent und entscheidungsreif erfüllt.

Infolgedessen dürfte die Stadt Köln den Einplanungsantrag zur Ost-West-Achse für den noch 2025 gültigen ÖPNV-Bedarfsplan NRW beim Fördergeber bis zum letzten Förderantragstermin am 31.07.2025 nicht stellen.

Begründung:

Für den politischen Entscheidungsprozess in einer so bedeutenden finanziellen, verkehrlichen und klimapolitischen Frage für die Stadt Köln müssen alle demokratischen Anforderungen genauestens und transparent erfüllt sein.

Hier fehlen jedoch elementare Voraussetzungen:

• Die Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) nach dem Verfahren der Standardisierten Bewertung ist Bestandteil der HOAI bis Leistungsphase 2 und Voraussetzung für den ersten formalen Schritt in der Förderbeantragung für die Förderfähigkeit mit Mitteln von Bund und Land im Sinne des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG). Letzter Termin für einen Einplanungsantrag an das Land ist der 31.07.2025.
Die NKU nach dem Verfahren der Standardisierten Bewertung ist aber für die oberirdische Variante bis heute nicht veröffentlicht und kann daher weder durch die politisch Verantwortlichen noch durch die Zivilgesellschaft transparent und demokratisch auf Plausibilität geprüft werden. Lediglich für die Tunnelvariante sind ausführliche Unterlagen in der Anlage 19 (179 Seiten) der Beschlussvorlage 1037/2024 veröffentlicht.

• Im Antwortschreiben des Verkehrsdezernenten Herrn Egerer vom 26.02.2025 auf eine Anfrage des Bündnis Verkehrswende Köln kam lediglich die Antwort:
„Auf Basis der genannten Abstimmungen ist auch die oberirdische Stadtbahnführung durchgerechnet worden, so dass die Voraussetzung für eine Ratsentscheidung seitens des Kriteriums Nutzen-Kosten-Untersuchung bzw. Förderperspektive aus Sicht der Verwaltung gegeben ist. In der Anlage 20 der vorliegenden Beschlussvorlage ist dieses entsprechend dokumentiert.“

Die Anlage 20 umfasst allerdings nur 10 Seiten und stellt lediglich die Endergebnisse für die Unterirdische und Oberirdische Variante gegenüber. Es fehlen die Berechnungen und Herleitungen für die Oberirdische Variante. In einer ausführlichen NKU nach dem Verfahren der Standardisierten Bewertung gibt es viele Stellschrauben (Annahmen, Parameter), mit denen ein Ergebnis zu Gunsten oder Ungunsten einer Variante ausfallen kann. Entsprechend tiefe Einblicke in die Bewertungsgrundlagen sind für eine verantwortungsvolle und rechtssichere Abstimmung im Stadtrat nötig.

• Da das Förderprojekt als Ganzes von Bensberg bis Weiden-West definiert ist, müssen alle Planungsabschnitte (Innenstadt und Außenäste) eine abgeschlossene NKU nach dem Verfahren der Standardisierten Bewertung bis Leistungsphase 2 der HOAI vorweisen. Nach unserer Feststellung liegt dies für die Planungen der Außenäste auch nicht vor.

• Sollte zum jetzigen Zeitpunkt doch noch eine NKU mit allen Berechnungen im Rahmen der Leistungsphase 2 auftauchen oder bis zum 31.07.2025 dem Fördergeldgeber nachgereicht werden, wäre eine kritische Plausibilitätsprüfung für die politischen Entscheider/innen zeitlich nicht mehr durchführbar.

Wir bitten Sie daher herzlich, mit allen parlamentarischen und rechtlichen Instrumenten gegen die vorliegende Beschlussvorlage für den 03.04.2025 im Rat vorzugehen. Das beinhaltet ggf. auch ein rechtliches Vorgehen nach Beschlussfassung am 03.04.2025. Möglich wäre eine rechtliche Eingabe bei der Bezirksregierung und eine rechtliche Eingabe beim Verwaltungsgericht.

Mögliche Begründungsansätze sind:

– die Nichteinhaltung demokratischer Aufträge,
– die Intransparenz parlamentarischer Beschlussvorlagen,
– eine Verschuldung der Stadt in den Nothaushalt hinein

Wie schätzen wir die Lage ein, wenn am 03.04.2025 nichts zur Ertüchtigung der Ost-West-Achse beschlossen wird?

Das Gesamtprojekt OWA von Bensberg bis Weiden-West mit 90-m-Bahnen wäre gestoppt.
Nicht nur die Bürger/innen im Kölner Westen wären Ihnen dafür sehr dankbar. Die Tunnelvarianten würden aus finanzieller Sicht immer unwahrscheinlicher.

Wir bitten Sie an dieser Stelle nochmals herzlich, sich unser 60-m-Bahnen-Konzept mit Taktverdichtung auf allen 3 Linien (1, 7 und 9) anzuschauen und eine Machbarkeitsstudie dazu in die Wege zu leiten.
Selbst den parlamentarischen Entscheidungsprozess nach der Wahl einkalkuliert, wäre ein Zeitverlust für eine gute ÖPNV-Optimierung mit dem 60-m-Bahnen-Konzept nicht zu beklagen.

Die Fertigstellung des oberirdischen 90-m-Bahn-Konzeptes (ca. 600 Mio.€ brutto) bräuchte bis Ende der 2030er Jahre und würde nur 10% Kapazitätserweiterung am Neumarkt unter Einbeziehung aller drei Linien (1, 7, 9) bringen, während hingegen unsere oberirdische 60-m-Bahnkonzeption (ca. 150 Mio.€ brutto) bis Anfang der 2030er Jahre mit 20% Kapazitätserweiterung am Neumarkt realisiert werden könnte. Denn sie hat einen viel geringeren Planungs- und Bauaufwand, da kein Ausbau der Außenäste nötig wäre.

Förderlage:

Wenn der Termin 31.07.2025 für den Einplanungsantrag beim Land für den alten ÖPNV-Bedarfsplan NRW nicht eingehalten werden kann, ist jeder neue Prüfungsbeschluss, Tunnel oder oberirdischer Ausbau, Teil des neu aufzustellenden ÖPNV-Bedarfsplans NRW, der sich mit allen anderen ÖPNV-Anträgen aller Kommunen neu bewerben muss. Alle bisherigen Vorabstimmungen wären hinfällig.
Dass ein günstigeres und effektiveres ÖPNV-Konzept wie unser 60-m-Bahnen-Konzept, das von vielen renommierten Verkehrsexperten empfohlen wird, außergewöhnlich gute Chancen auf Förderung hat, ist naheliegend. Handeln und Entscheiden Sie zum Wohle Kölns. Die Wähler/innen werden es Ihnen danken.

Freundliche Grüße

Barbara Kleine
Rolf Beierling-Hémonet

Bündnis Verkehrswende Köln

 

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