Das Argumentationspapier des Bündnis Verkehrswende Köln gegen das Metrolinien-Konzept von CDU, SPD und FDP
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11 Argumente gegen den Tunnel-Antrag
von CDU, SPD, FDP
Januar 2025
Was wird von den Tunnelparteien vorgeschlagen?
Nachdem die Verwaltung und externe Büros in sechs Jahren Planungen und Berechnungen für zwei Varianten zur Ertüchtigung der Ost-West-Achse erarbeitet haben (Anmerkung *1), schlagen die Tunnelparteien einen völlig neuen Antrag vor. Kern des Antrags ist:
- Ein ganz langer Tunnel auf der Ost-West-Achse, vom Bahnhof Deutz (Haltestelle Deutzer Freiheit entfällt) unter dem Rhein her bis Melaten.
- Ein Tunnel-Abzweig unter dem Aachener Weiher und weiter unter der Dürener Straße her bis hinter den Militärring.
- Zusätzlich bleibt eine oberirdische Straßenbahnführung bestehen; die Linie 7 fährt oberirdisch von Porz über Deutzer Brücke bis Neumarkt und biegt dort oberirdisch ins Mauritiusviertel zur Universität/Sülz ab, übernimmt also ab Neumarkt den Linienweg der Linie 9.
Alle anderen im Antrag genannten Vorschläge für neue Strecken, besonders ins Umland, sind ferne Zukunft. Sie sind größtenteils bereits geplant, stehen jedoch auf der Streichliste des KVB-Vorstands. Außerdem werden veränderte Linienführungen und Umbenennungen vorgenommen (Anmerkung *2).
1. Extrem hohe Kosten
Die Tunnelvariante der Verwaltung von 2024, führt den Tunnel von Heumarkt bis Moltkestraße und mit Abzweig am Neumarkt unter dem Mauritiusviertel her. Das sind 2,7 km Länge und 3 unterirdische Stationen. Die Kostenschätzung, in der noch Vieles nicht enthalten ist, liegt bei 1,4 Mrd. Euro brutto.
Im neuen Antrag der Tunnelparteien entfällt zwar das Tunnelstück unter dem Mauritiusviertel, dies ist aber nur rund 500m lang. Hinzu kommt dagegen die Untertunnelung des Rheins mit 1200m, das längere Stück über die Innere Kanalstraße hinaus bis Melaten mit 600m und der Abzweig unter der Dürener Straße mit 3400m.
Das wären insgesamt 7,4 km Tunnelkilometer und 7 unterirdische Stationen.
Das bedeutet ganz klar: Die Kosten würden sich dramatisch auf bis 4-5 Mrd. Euro brutto erhöhen.
Die oft bemühten „bis zu 90%“ Fördermittel beziehen sich auf die veranschlagten Kosten zum Zeitpunkt des Zuwendungsbescheids. Spätere Kostensteigerungen, die absolut sicher sind, bleiben überwiegend bei der Stadt hängen. In einem Rechtsgutachten der Beschlussvorlage heißt es „Anträgen auf nachträgliche Erhöhung der Zuwendung ist grundsätzlich nicht zu entsprechen. Ausnahmen sind nur aus besonderen Gründen bei Anlegung des strengsten Maßstabes zulässig“ (Anlage 8).
Bei der Nord-Süd-Stadtbahn stieg der städtische Eigenanteil – OHNE die Kosten des Stadtarchiv-Unfalls – von 55 Mio. auf über 1,1 Mrd. Euro an (Mitteilung der Verwaltung Nr. 3040/2024).
Die neuen Pläne der Tunnelparteien würden jede Haushaltsplanung sprengen und zu Lasten sinnvoller ÖPNV-Projekte, sowie sozialer und kulturellen Aufgaben gehen.
Ein Tunnel bedeutet auch wesentlich höhere Bestandserhaltungs- bzw. Betriebskosten als bei einer Straßenbahn, die als Ewigkeitskosten beim Verkehrsbetrieb hängen bleiben.
Die Wartung und Erneuerung von Schienen fällt auch oberirdisch an. Aber bei der Untergrundbahn kommen erhebliche Mehrkosten für den Erhalt des Untergrundbauwerks, wie Wartung und Erneuerung von Aufzüge und Rolltreppen, Löschwasseranlagen und Brandschutz, Strom für Beleuchtung, Kosten für Sicherheitspersonal etc. hinzu.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die KVB Betriebskosten einsparen soll, da der Stadtwerkekonzern weniger quersubventionieren will, ist es vollkommen widersprüchlich, ausgerechnet am Bauwerk mit den höchsten Betriebskosten festzuhalten, jedoch die Ausbaupläne mit den sinnvollen oberirdischen Strecken (s. Punkt 9) fallen zu lassen.
2. Bauzeit und Archäologie
Bezogen auf den kürzeren Tunnel in der Beschlussvorlage der Verwaltung hat die Denkmalpflege einen Bericht verfasst, der deutlich macht, was in diesem historischen Kernsiedlungsbereich alles unter der Erde liegt (Anlage 4.18). Den Zeitraum allein für die Bergung der zahlreichen Bodendenkmäler auf den 2,7 Tunnelkilometern schätzt die Bodendenkmalpflege auf 10 Jahre.
Die Verwaltung gibt die Gesamtbauzeit mit – ebenfalls 10-12 Jahre an! Man könne ja parallel zu den Archäologen arbeiten. Das hat bei der Nord-Süd-Bahn schon nicht funktioniert und ist einfach nur dreist.
Bei einem fast dreimal so langen Tunnel steigen Ausgrabungs- und Bauzeit entsprechend.
Der extrem schwierige Baugrund und die Führung unter dem Rhein her werden erhebliche Probleme bereiten und ein sehr umfangreiches Baustellenmanagement benötigen, mit großen Baugruben, Ablageflächen bis hin zu einer notwendigen extra Verlegung einer Löschwasserversorgung während der Bauzeit.
Tatsächlich würde die Innenstadt für Jahrzehnte eine Großbaustelle, mit entsprechenden Kollateralschäden für Handel, Gastronomie. Jegliche Mobilität würde auf ein unerträgliches Maß verschlechtert.
Wir brauchen aber rasch eine deutliche Verbesserung des ÖPNV. Alternativen dafür liegen auf dem Tisch (siehe Punkt 11).
3. Geringer Nutzen
Köln hat keine Metro wie Paris oder London. Wir haben eine Stadtbahn, die ab und zu unter Pflaster fährt, derzeit auf lediglich 16 Prozent des Netzes. Danach steht sie wieder im Straßenverkehr. Deshalb werden ein paar zusätzliche Tunnelkilometer auch nicht wesentlich mehr Störungsfreiheit mit sich bringen.
Verursacher von Störungen und Unfällen sind ganz überwiegend Kraftfahrzeuge, fahrende wie (falsch) parkende. Wenn der Durchgangsverkehr in der City gestoppt wird und Straßenparkräume reduziert werden, sind die wesentlichen Störquellen wirkungsvoll beseitigt.
Beim kürzeren Tunnel der Verwaltung wurde der Fahrtzeitgewinn mit maximal 4 Minuten angegeben; beim Megatunnel wird er zwar etwas höher sein. Jedoch ist Fahrtzeit nicht gleich Reisezeit, denn man muss die Wege in drei oder vier Tiefetagen berücksichtigen, die zum Ein-, Aus und Umsteigen benötigt werden und die Fahrzeitverkürzung wieder auffressen.
4. U-Bahn-Konzepte sind von gestern
Die Tunnelparteien nehmen in ihrem Antrag positiv Bezug auf den Gesamtverkehrsplan von 1956 (!), und zitieren daraus: „Um aber für die spätere Zukunft die nötige Vorsorge zu treffen, können die baulichen Anlagen einer Unterpflaster-Straßenbahn bereits heute so bemessen werden, dass eine spätere Umstellung auf U-Bahnbetrieb möglich bleibt.“
In der Tat waren die U-Bahnkonzepte in den 50er und 60er Jahren Teil der Planung für eine autogerechte Stadt. Straßenbahnen wurden abgeschafft, durch Busse ersetzt oder unter die Erde gelegt, damit der KFZ-Verkehr mehr Platz erhielt.
Und die Tunnel-, Beton und Auto-Parteien hängen heute noch an der Vorstellung, man müsse in einer Art ’nachholenden Entwicklung‘ die ganze Innenstadt mehr oder weniger untertunneln, die Menschen in den Untergrund schicken, damit oben der KFZ-Verkehr rollt. Unmoderner geht’s kaum angesichts der regelmäßigen Megastaus in der Rushhour, denn unsere historischen Städte sind dafür nicht gebaut.
Entgegen den Beteuerungen der Tunnelparteien, sie wollten den KFZ-Verkehr in der City reduzieren, steht in ihrem Antrag im Abschnitt Realisierung, die Zugänge zur Tunnelstation Neumarkt seien „so zu platzieren, dass oberirdisch eine möglichst breite Trasse für mögliche durchgehende Nutzungen der kommenden Jahrzehnte (Radschnellwege, Schnellbuslinien, autonome Fahrzeuge, MIV…) je nach Mobilitätsbedarf und Förderrichtlinien der Zukunft ermöglicht wird.“ Man hält sich also die Trasse offen für KFZ-Verkehr. Das ist das Gegenteil von Aufenthaltsqualität und stadträumlichem Nutzen, welche bisher immer hochgehalten wurde.
5. Straßenbahn ist urbane Mobilität der Zukunft
Die urbane Mobilität der Zukunft wird durch die Straßenbahn gefördert, weil sie für alle Menschen in der Stadt die barrierefreie Mobilität ermöglicht – für Begegnung, kulturellen Austausch und Handel.
Moderne ÖPNV Politik bedeutet deshalb in vielen Städten der Welt eine Renaissance der Straßenbahn. Seit zwei Jahrzehnten wurden weltweit in über 100 Städten wieder die Straßenbahn eingeführt. In Europa ist Frankreich der Vorreiter: In 26 Metropolregionen hat man sich bewusst gegen U-Bahn und für den Wiederaufbau von Straßenbahnnetzen entschieden.
Die Straßenbahn ist das preiswerteste, effektivste, ökologischste und barrierefreieste Transportmittel im ÖPNV.
Moderne schlanke Niederflur-Straßenbahnen vertragen sich mit Fuß- und Radverkehr. In etlichen Städten fahren sie gar durch die Fußgängerzonen.
Was stört, ist der KFZ-Verkehr, weshalb moderne Städte Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in den Innenstädten umsetzen. Das ist zeitgemäße Verkehrspolitik, von der die Tunnelparteien Lichtjahre entfernt.
Die oberirdischen 60m-Straßenbahnen können zudem auf Sicht und in dichter Taktfolge fahren, während im Untergrund (wie auch bei 90m-Langzügen) nur signalgesteuert und mindestens im Zwei-Minuten-Abstand gefahren werden kann.
6. Neue Barrieren und Angsträume
Ein Tunnel schafft neue Barrieren für viele Menschen. U-Bahn-Tunnel sind grundsätzlich schlecht für die Mobilität von Menschen mit Bewegungs-Einschränkungen. Daher ist der Arbeitskreis Barrierefreies Köln entschieden für ‚Oben bleiben‘ und weist auf die vielen Nachteile hin: Mehrgeschossige Stationen erschweren durch ihre komplexen Umsteigebeziehungen die Wege und die Orientierung, insbesondere auch für sehbehinderte und kognitiv eingeschränkte Menschen aber auch für Ortsunkundige.
Schon heute sind 25 Prozent aller Kölner:innen älter als 60 Jahre, Tendenz steigend. Hinzu kommen Familien, mit Kinderwägen, Tourist:innen mit Koffern, Shoppende mit Einkaufswagen – für sie alle ist ein ebenerdiger Ein- und Umstieg, wie er heute auf drei Linien in der City möglich ist, viel bequemer.
Die Barriere-Reduzierung steht und fällt mit funktionierenden Aufzügen, was bekanntlich oft nicht der Fall ist. Aber auch im Normalbetrieb würden die Aufzüge, die fünf Ebenen verbinden, oft voll sein. Vor allem für Fahrgäste auf den mittleren Ebenen bedeutet das lange Wartezeiten. Hinzu kommt, dass sie viel zu klein geplant sind. Wenn auch Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Gepäck sie nutzen, für die sie ja gedacht sind, passen deutlich zu Wenige in die Kabine.
Unterirdische Haltestellen sind zudem Angsträume, egal wie schön sie beleuchtet und gestaltet sind. Oberirdischer Aufenthalt ist belebter und ermöglicht mehr soziale Kontrolle.
7. Negative Klimabilanz
Für den Megatunnel gibt es noch keine Betrachtung aus Sicht des Klimaschutzes. Doch schon die Klimabilanz für den kürzeren Tunnel der Verwaltung ist vernichtend. Der CO2 Ausstoß wird in der Beschlussvorlage mit 283.000 Tonnen beziffert, bedingt vor allem durch die Beton- und Stahlproduktion.
Köln hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und will bis 2035 klimaneutral sein. Die Emissionen fallen vor und während der Bauzeit an, und nicht in 100 Jahren Lebenszyklus eines Tunnels. Damit würden die Klimaziele gerissen.
Darum ziehen die ScientistsForFuture in ihrer Stellungnahme das Fazit: „Die Oberirdische Variante ist besser fürs Klima als ein Tunnel. Die CO2-Bilanz der Tunnelvariante führt erst im Jahr 2081 zur Klimaneutralität und damit 44 Jahre später als die oberirdische Lösung…Der Tunnel ist unvereinbar mit Klimaschutz und dem Ziel von Klimaneutralität der Stadt Köln bis zum Jahr 2035.“ Die Stiftung Energieeffizienz hat festgestellt, dass die Stadt Köln aufgrund fehlender Maßnahmen keine Klimaneutralität 2035 erreichen wird. Sie „schätzt, dass auch unter Berücksichtigung neuer Technologien die Variante ‚Metrolinien‘ über eine Millionen Tonnen zusätzlicher CO2-Emissionen bedingt“ (Quelle: PM Stiftung Energieeffizienz vom 11.12.2024). Sie empfiehlt daher eine oberirdische Lösung ohne Tunnel.
8. Geplante Metrolinien sind Rohrkrepierer
In der Antrags-Begründung der Tunnelparteien wird die Erzählung bemüht, eine „Metropole braucht eine Metro“ und U-Bahnen seien moderne ÖPNV-Politik. Wenn bestehende Linien in „Metrolinie“ umgetauft werden, aber nach wie vor in veralteten Bahnen und ohne ausreichend Personal selbst ein ausgedünnter Fahrplan nicht eingehalten werden kann, entspricht das nicht einer Metropole, sondern einer enorm schlechten ÖPNV-Qualität.
Kölns Stadtbahn, die nur in kleinen Teilen unter Pflaster fährt (16%), ist nicht vergleichbar mit geschlossenen Metrosystemen, wo überdies jede Untergrundlinie ihren eigenen Gleiskörper hat. Das ist in Köln nicht der Fall, die Untergrundtrassen werden von mehreren Linien genutzt.
Laut Antrag sollen die sog. Metrolinien durchweg auf vom KFZ-Verkehr unabhängigen Gleiskörpern laufen. Im Tunnel ist das ohnehin der Fall, aber auch oberirdisch sollen sie absoluten Vorrang haben, auch vor anderen Straßenbahnlinien. Damit schafft man eher sperrige eisenbahnähnliche Linien mit 90m-Langzügen quer durch die Stadt, die signalisiert fahren müssen und bei denen Taktverdichtungen ausgeschlossen sind.
Eine Straßenbahn ist aber keine S-Bahn-Linie, die schnell regional von A nach B kommen will, sondern hier geht es um Nahverkehr. Darauf weist Verkehrsexperte Stephan Besier, der europaweit Straßenbahnen plant, immer wieder hin.
Obendrein wird durch das „niveaugleiche Abzweigbauwerk“ am Abzweig Haltestelle Moltkestraße auch noch die Durchfahrt auf der Ost-West-Achse durch die Metrolinie blockiert.
Die Netzentwicklung mit sogenannten „Metrolinien“ bedeutet auch, dass die Umsteigemöglichkeiten noch stärker auf die Innenstadt konzentriert werden und damit eine Überlastung des engen ÖPNV-Korridors zugespitzt wird. Tangentialverbindungen werden erst mal nicht gebaut. Eine Fahrt zwischen den Vororten erfolgt noch öfter durch eine Fahrt in die City und dann wieder aus der City heraus. Auch neue Rheinquerungen sind nicht vorgesehen. Die südlichste KVB-Rheinquerung würde auf Jahrzehnte hinaus die Severinsbrücke bleiben.
Moderne urbane Nahmobilität ist gekennzeichnet durch schlanke Bahnen, stadtverträglich integrierte Stationen, kurze Wege zu Haltestellen, optimale Verbindungen und Umstiegspunkte nicht erst im Zentrum, sondern durch Tangentialverbindungen auch vorher.
Außerdem gilt: Eine Vorrangschaltung für alle KVB-Linien – auch für die straßenbündigen – ist heute schon möglich und wünschenswert.
9. Tunnel blockiert KVB-Ausbau für Jahrzehnte
In dem Antrag werden diverse Honigtöpfe aufgestellt, mit denen man die Öffentlichkeit ködern will. Grafiken und Fotomontagen zeigen die Deutzer Freiheit autofrei (wogegen die CDU bisher gewettert hat) und die Aachener Straße als Flaniermeile. Die Richard-Wagner-Straße, wo man Autoverkehr und beide Stadtbahngleise bündeln will, wird vorsichtshalber nicht gezeigt.
Angeblich gibt es einen „ganzheitlichen Ansatz“, der alle Veedel und das Umland im Blick habe: Mülheim-Süd, Stammheim, Flittard, Neubrück wolle man zügig anschließen, die Linie 4 bis nach Niederaußem verlängern, eine rechtsrheinische Linie von der Keupstraße nach Porz-Markt führen.
Schaut man sich den Antrag aber genauer an, dann gibt es konkrete Planungs- und Kostenermittlungs-Aufträge nur für einen möglichst langen Tunnel, je nachdem, was noch förderfähig sein könnte. Die oberirdischen neuen Strecken stehen dort nur unter ferner liefen, sie sind „zu untersuchen und gegebenenfalls zu planen.“
In Wahrheit sind fast alle aufgeführten Strecken nichts Neues, sondern stehen bereits im ÖPNV-Netzentwicklungsplan der Stadt. Neu ist aber, dass sie seit April 2024 auch auf der Streichliste des KVB-Vorstands stehen, um Betriebskosten zu sparen. Und genau dazu schweigen sich die Tunnelparteien aus.
Seit Baubeginn der Nord-Süd-Stadtbahn vor über zwei Jahrzehnten wurde das Netz oberirdisch nur um 3,5 Schienenkilometer erweitert. Köln hat bezogen auf die Einwohnerschaft nur ein halb so großes Schienennetz wie Düsseldorf und einen riesigen Nachholbedarf.
Ein Tunnel rückt die dringend benötigten oberirdischen Strecken und Lückenschlüsse in weiter Ferne. Die Ressourcen – Fördermittel, städtische Gelder, Personal – wären wieder jahrzehntelang in einem unsinnigen Großprojekt gebunden.
10. Verschlechterte Wege- und Fahrbeziehungen
Viele Wege werden länger. Allein die Untergrundstationen bedeuten mit wenigen Ausnahmen längere Wege zum Aus-, Ein- und Umstieg. Die Pläne bedeuten eine Verschlechterung der Nahverkehrsmobilität an mehreren Stellen:
Die Haltestelle Deutzer Freiheit soll entfallen. Dadurch ist der Umstieg von den Linien 1 und 9 auf Linie 7 an der Deutzer Freiheit nicht mehr gegeben, ein Umstieg ist erst am Heumarkt möglich.
Die Umsteigemöglichkeiten für Fahrgäste aus Porz in der Innenstadt verschlechtern sich: Zu den Linien 1 und 9 kann in Deutz nicht mehr umgestiegen werden; Am Heumarkt muss in die Tiefe zur U-Bahn hinabgestiegen werden und der Rudolfplatz wird nicht mehr direkt erreicht.
Der Umstieg zwischen Tunnellinien und Linien nach Sülz ist nur noch am Neumarkt und Heumarkt möglich, dabei müssen mehrere Etagen überwunden werden
Es gibt keine Direktverbindung mehr von Kalk ins Einkaufszentrum Deutzer Freiheit. Stattdessen muss man am Bahnhof Messe/Deutz aussteigen und lange Fußwege in Kauf nehmen. Das Deutzer Quartier wird somit abgehängt.
11. Es gibt bessere Alternativen
A) Kapazitätserhöhung auf der Ost-West-Achse durch Taktverdichtung
Eine Taktverdichtung scheitert bisher allein an den beiden Nadelöhr-Haltestellen Heumarkt und Neumarkt, weil dort alle drei Linien (1, 7, 9) zusammenkommen.
Diese beiden Haltestellen können jedoch oberirdisch ertüchtigt werden, indem man sie verdoppelt, zu je einer Haltestelle pro Richtung mit Mittelbahnsteig, so dass je Richtung zwei Bahnen gleichzeitig hereinfahren können. Damit beschleunigt sich die Abwicklung an diesen beiden Knotenpunkten und ermöglicht eine Taktverdichtung.
Prof. Dr. Volker Stölting, Verkehrsplaner und Schienensystemexperte an der TH Köln, hält den Vorschlag in Kombination mit KFZ-Verkehrsberuhigung im City-Abschnitt für betrieblich machbar; er schlägt einen 5 Minuten Takt auf allen drei Linien (1, 7, 9) vor.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Man braucht keine Langzüge, und nicht nur die Linie 1 sondern auch die Linien 7 und 9 erhalten eine erhöhte Beförderungskapazität. Es müssten keine 34, sondern nur 2 Haltestellen umgebaut werden. Der Innenplatz des Neumarkts würde nicht mit Schienen belegt, stadträumliche Barrieren an den Außenästen entfielen.
Es ist die schnellste, preiswerteste, ökologischste und barriereärmste Lösung, die rasch erheblichen Mehrnutzen bringt.
In Kombination mit Wegfall des KFZ-Durchgangsverkehr und der Parkplätze könnte der Neumarkt rasch attraktiv umgestaltet werden. Die Nordumfahrung kann für den Kfz-Verkehr sofort geschlossen und der Platz an die Fußgängerzone angeschlossen werden.
Die Straßenzüge im Innenstadtabschnitt können zu Boulevards gestaltet werden. Oberirdische Straßenbahnführung mit 60-Meter-Niederflur-Straßenbahnen mit grünen Gleisbetten und barrierearmen Haltestellen sind leicht zu queren und bilden stadträumlich keine Blockaden. Stadtbahnen müssen in den kurzen Innenstadtabschnitten langsamer fahren, um ein Miteinander von Bahn-, Rad und Fußverkehr zu möglichen und sind trotzdem schneller durch die Innenstadt, wenn der KFZ-Durchgangsverkehr entsprechend reduziert wird. Dies kann man in vielen anderen Städten sehen, wie Freiburg, Augsburg, Zürich.
B) Lückenschlüsse und oberirdischer Netzausbau
Anders als im Antrag steht, muss für den Ausbau der KVB und die wachsende Stadt nicht zuerst die Innenstadt ertüchtigt werden. Neue Strecken, Rheinquerungen, Ringschlüsse und Radialen mit intelligente Verknüpfungspunkten und Taktverdichtungen. Solche Maßnahmen bringen enormen Mehrnutzen und gewinne neue Kunden.
Dafür muss das Ausbauszenario des ÖPNV-Netzentwicklungsplans prioritär umgesetzt werden
Statt für ein Gigaprojekt mit wenig Nutzen, Milliarden zu beantragen und knappes Fachpersonal einzusetzen, bringen folgende Strecken großen Mehrnutzen:
- Verlängerung Linie 13 bis zum Rhein
- eine Umweltbrücke (für KVB, Rad- und Fußverkehr) im Norden und Süden der Stadt
- Lückenschluss Severinsbrücke – bis Barbarossaplatz
- rechtsrheinische Ringbahn von Mülheim über Kalk bis Porz
- ÖPNV-Spur auf der Inneren Kanalstraße
- Schienenanbindung der Stadtteile Neubrück, Stammheim, Flittard, Meschenich, Rondorf, Widdersdorf, Esch/Pesch/Auweiler
C) Instandsetzen der KVB:
– Rückkehr zum Normalfahrplan
– Zeitnahe Instandsetzung von Aufzügen und Rolltreppen
– Barrierefreiheit an allen Haltestellen herstellen
Dafür braucht es mehr Personal in Fahrdienst und Wartung zu besseren Arbeitsbedingungen. Schon diese Ziele sind ein Großprojekt für die KVB, dass sie seit Jahren nicht geschafft hat. Fahrgastfreundliche Mobilität braucht Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Barrierefreiheit und rasche Taktfolge der Stadtbahn. Dies befördert einen Umstieg vom Auto auf den ÖPNV, und nicht ein paar umbenannte Linien in Metrolinien und Tunnelbau.
Anmerkung *1: Vorgeschichte
Nicht vergessen werden sollte der Umgang der Tunnelparteien mit den Ratsgremien und der Zivilgesellschaft, in welchem eine arrogante Haltung zum Ausdruck kommt.
Innerhalb von wenigen Tagen wollten CDU,SPD,FDP ihren gänzlich neuen Antrag im Dezember 2024 durch den Rat peitschen und damit nahezu alle bisherigen Planungen hinfällig werden lassen.
Diese gründen auf einem Ratsbeschluss von 2018, als zur Ertüchtigung des ÖPNV auf der Ost-West-Achse ein Kompromissantrag beschlossen wurde, getragen durch das Koalitionsbündnis CDU, Grüne, Volt. Der Antrag war ein Arbeitsauftrag an die Verwaltung, mit der Aufgabe die Ertüchtigung zwischen Heumarkt, Aachener Weiher und Mauritiusviertel, alternativ eine oberirdischen und unterirdischen Variante zu erarbeiten. Nach knapp 6 Jahren und 30 Mio. € Planungskosten legte die Verwaltung dem Rat Ende Mai 2024 eine Beschlussvorlage mit den beiden Alternativen vor.
Diese wurde im Juni 2024 nur einmal im kurz im Verkehrsausschuss diskutiert, aber danach regelmäßig von der Tagesordnung der Ratsgremien genommen und die Entscheidung vertagt. Die Parteien zogen es mehrheitlich vor, ausschließlich in Hinterzimmern nach Kompromissen und Mehrheiten zu suchen. Ein öffentlicher Austausch der Argumente in den zuständigen Ratsgremien, eine Debatte vor den Ohren und Augen der Zivilgesellschaft wurde jedoch vermieden.
Kurz vor der Dezember-Ratssitzung stellten die Tunnelparteien CDU, SPD und FDP dann mit großem Pressespektakel ihren neuen Antrag mit Megatunnel vor. Nur vier Tage später nutzten sie ihre Mehrheit von 7:6 im Verkehrsausschuss für einen Beschluss, den sie zwei Tage später – mit freundlicher Unterstützung der Oberbürgermeisterin – auf die Tagesordnung des Rates setzten, ohne einen Gremienlauf in den betroffenen Bezirksvertretungen und Ausschüssen.
Nur durch Einspruch der Ratsfraktion DIE PARTEI und des Einzelmandatsträgers Thor Zimmermann bei der Kommunalaufsicht wurde der Antrag von der Tagesordnung genommen. Die Bezirksregierung Köln machte rechtliche Bedenken geltend, da der Antrag kein Änderungsantrag zur Ost-West-Achse mehr sei, sondern weit darüber hinausgehe, und da keine ausreichende Beratungszeit gegeben war.
Die Haltung der Tunnelparteien zur Öffentlichkeit wird auch dadurch deutlich, dass sie in ihrem Antrag ein fachliches Begleitgremium aus Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen explizit nicht mehr vorsehen.
Weiterhin wollen sie mal eben ein neues „Zielnetz“ verbindlich beschließen und in die ÖPNV-Netzplanung einfließen lassen, ohne dass der Nutzen in Abwägung zu anderen Projekten von Verwaltung und Experten erst einmal ermittelt wurde.
Anmerkung *2: Umbenennung von Linien:
- Linie 1 von Weiden-West bis Kalk-Kapelle im Tunnel Abzweig nach Königsforst (ehemals
Linie 9)
– Neue Linie 2 von Junkersdorf (ehemals Linie 1) im Tunnel bis Brück-Mauspfad
– Neue Linie 6 von Keupstraße bis Porz-Markt, oberirdisch
– Neue Linie 8 (ehemals Teilstrecke Linie 9) von Universität bis Flittard
– Die Linie 9 fährt rechtsrheinisch von Moitzfeld (alt Linie 1 Bensberg) bis Moltkestr. und
zweigt erst dahinter im Tunnel unter dem Aachener Weiher ab, bis hinter den Militärring,
übernimmt damit die linksrheinische Linienführung der Linie 7 nach Frechen und neu bis
Kerpen
– Neue Linie 10 von Schönhauser Straße über Tunnel bis Neubrück
Die Verwaltung hat inzwischen zum Antrag von CDU, SPD und FDP Stellung genommen. Die Stellungnahme ist als Anlage 27 in die Unterlagen zum Ratsbeschluss aufgenommen worden. Siehe dazu unser neuer Beitrag.
Stellungnahme der Verwaltung als PDF öffnen